Reisen gerne in die Mongolei: Projektinitiantin Anita Fahrni und Nina Stieger.Desirée Müller
12.09.2024 00:00
Deutsch unterrichten in der Mongolei
Seniorin Nina Stieger unterrichtete in der Mongolei Deutsch - immer mehr Pensionäre wagen das Abenteuer
Die 66-jährige Nina Stieger kam im Juni nach vier Monaten aus der Mongolei zurück. Dort unterrichtete die ehemalige Stadtplanerin an einer Schule Deutsch. Immer mehr Senioren wagen das Abenteuer. Ein Treffen mit Nina Stieger und Projektinitiantin Anita Fahrni.
Frauenfeld «Da du jünger bist als ich, lege deine Hände unter meine, genau so», weist mich Nina Stieger in die Bräuche der Mongolen ein, in diesem Fall die Begrüssung am Neujahrsfest. Die Freude sei gross, wenn man als Gast die Sitten und Bräuche einsetze, erzählt die 66-Jährige. Und von denen gebe es so einige. Vor ihrem Einsatz als Deutschlehrerin in einer mongolischen Schule besuchte sie zwei Mal das Land. Obwohl es sich ein wenig wie Heimkommen anfühlte, als sie auf dem Flugzeug stieg, erwartete Nina Stieger ein grosses Abenteuer und sogar: «Die schönste Zeit in meinem Leben.»
Zu verdanken hat sie diese unvergessliche Erfahrung Anita Fahrni. Geboren und aufgewachsen in den USA unterrichtete sie in Taiwan Englisch und Französisch, bevor sie 1970 der Liebe wegen in die Schweiz kam. 2015 zügelte die heute 81-Jährige und frühere Kantonsrätin, von Islikon nach Frauenfeld. Die Mongolei hat sie «gepackt», und dies seit 26 Jahren. Sie unterstützt dort seit 1998 die Bildungsarbeit, schickte bereits 1000 Wandtafeln in Containern an Schulen und publiziert die Tage ihr zwölftes Buch, in denen sie, an mongolische Studenten gerichtet die Englisch lernen, ganz subtil die Probleme der Jugend in der Mongolei aufgreift. Aktuell über häusliche Gewalt, einladend illustriert und verständlich geschrieben.
Mit Händen und Füssen
Seit 2020 hat sie ein weiteres Projekt ins Leben gerufen. Bereits 150 Personen reisten seither in die Mongolei, um an Schulen Englisch oder Deutsch zu unterrichten. Begehrte Fächer bei den jungen Mongolen, da die Aussicht auf ein Studium im Ausland erheblich steigt, wenn sie die Sprache beherrschen. Vom Maturanden bis zur Seniorin, die kunterbunte Mischung aus Dozentinnen und Dozenten kommt sehr gut bei den Schülerinnen und Schülern an. An vier Standorten im ganzen Land verteilt unterrichten die Freiwilligen die Jugendlichen. Eine Lehrperson müsse man nicht sein, geschweige denn mongolisch zu sprechen. «Wir haben uns mit Händen, Füssen und vor allem mit Google-Translate verständigt», berichtet Nina Stieger. Die Kinder und Jugendlichen ticken gleich wie in der Schweiz. Das Bildungswesen unterscheidet sich hingegen in vielen Belangen. «Zum Beispiel arbeiten die Schülerinnen und Schüler nicht mit Büchern. Vielmehr notieren sich die Kinder – die einen mehr, die anderen weniger – das Gelernte.» Dazu gebe es keine Niveauklassen wie in der Schweiz. «Die Schüler besuchen bis zur neunten die selbe Klasse.» Folglich werden nicht wenige «mitgezogen», andere vergeuden ihr Potenzial.
Zumindest im Fach Deutsch können die Schweizer (Hobby-) Dozentinnen und Dozenten dem entgegenwirken. So nehmen sie sich den Schwächeren an und fördern die Starken, teils im Einzelunterricht. Zeit, welche den mongolischen Lehrpersonen nicht bleiben würde. So manche Jugendliche fanden auch dank dem Projekt den Zugang zu einer Ausbildung in Deutschland und bekamen so bessere Chancen auf eine Stelle in ihrer Heimat. Beliebt sind Berufe im Gesundheitswesen», so Nina Stieger. Diese gut ausgebildeten Fachkräfte, welche sich mühelos verständigen können, kommen Deutschland durchaus entgegen.
Vermehrt engagieren sich pensionierte Schweizerinnen und Schweizer an dem Austauschprojekt. Zwischen zwei und vier Monaten bleiben die Gastdozenten in der Mongolei. Zeit genug, sich unters Volk zu mischen, die Kultur und die Menschen kennenzulernen. Diese seien sehr herzlich, offen und mehr als gewillt, die Schweizer Teil ihres Alltags werden zu lassen. Nina Stieger teilte sich eine kleine Wohnung mit einer Lehrerin. Die ersten Tage war sie alleine, da die Gastgeberin abwesend war. «Eine Fremde einfach in der Wohnung zu lassen – das zeugt von Vertrauen dem Projekt gegenüber», sagt sie. So manche Einladung von neuen Bekanntschaften folgten. Denn: «in der Mongolei wird oft gefeiert. Sogar, wenn die Kinder das ABC in der Schule beherrschen», erzählt sie und lacht.
Lange Vorbereitung
«Sehr viele Senioren würden gerne das Abenteuer wagen. Ein Hund oder Enkelkinder sind die häufigsten genannten Gründe, warum das Engagement nicht zustande kommt», sagt Anita Fahrni. Doch die Anzahl an Seniorinnen und Senioren, welche sich die Zeit und Muse nehmen, in die Mongolei zu reisen, sei stetig am Wachsen. Die Organisation bedarf so manche Stunden Arbeit, welche Anita Fahrni aber sehr gerne leistet. Die Vermittlung, Organisation der Reise und der stetige Kontakt zu den Schulen hält die 81-Jährige sichtlich jung. Denn das Glänzen in ihren Augen, wenn sie von der Mongolei spricht, ist auch seit zwanzig Jahren nicht erloschen.
Von Desirée Müller
Kontakt
Wer Interesse an einem Engagement in einer mongolischen Schule hat, darf sich bei Anita Fahrni melden:
asmfahrni@gmail.com